Der leere Thron 2

Abgeschickt von Christos Mouhameddos Mose am 03 August, 2003 um 07:37:04:

Der leere Thron

Haarklein erzählen die Autoren über Kanalarbeiten, Steuerdekrete und Kriege in diesen Zwillingsstaaten Insgesamt 42 Könige werden unter Angabe ihrer Regierungszeiten genannt
Wurden hier etwa alte Chroniken und Herrscherlisten benutzt? Gezielt durchsuchten die Forscher die mesopotamischen Keilschriftarchive Und tatsächlich: Insgesamt fünf der biblischen Ur-Könige tauchen auch dort namentlich auf

Das wichtigste Beweisstück legten die Fahnder 1993 im "Tell Dan" frei, einem Siedlungshügel in Nordisrael Es ist eine Stele mit Nennung "Haus David" Der Stammvater lebte also womöglich wirklich - wenn auch nur als "Duodezfürst eines Stadtstaates" Finkelstein
Im Licht der neuen Funde aus der Negev-Wüste und Samaria lässt sich die dunkle "Königszeit" nun endlich besser nachzeichnen Um 950 v Chr verlor Ägypten die Kontrolle über seine Vasallen In diesem Machtvakuum konnten sich die hebräischen Stammeshäuptlinge breit machen:
· Zuerst bildet sich im Norden der Ur-Staat "Israel" 884 v Chr bestieg dort, wie Inschriften beweisen, ein König Omri den Thron Das Land hatte kaum 100 000 Einwohner siehe Grafik Seite 139
· Ärmlicher sah es in Juda aus, dem südlichen Nachbarstaat im Raum Jerusalem Wegen des dürren Bodens lebten dort kaum 10 000 Menschen in festen Siedlungen
Mit Spaten und Minibaggern haben Archäologen die ganze Bescheidenheit dieser staatlichen Urzellen der Hebräer freigelegt In Samaria fanden sie ein paar Wein-Quittungen, in Arad verwitterte Briefe aus Ton Ansonsten griffen die Hirten und Ölbauern fast nie zum Schreibblock
Bald war es selbst damit vorbei Im 9 und 8 Jahrhundert wuchs am Tigris ein Staatskoloss heran, der immer unverhohlener nach der Weltherrschaft gierte: Assyrien
Das Land dürstete danach, den Karawanenhandel unter Kontrolle zu kriegen Weihrauch und Gewürze brachten die Kaufleute vom Jemen bis nach Gaza Wer den Endpunkt kontrollierte, konnte den ganz großen Profit erzielen
732 v Chr griff König Tiglatpileser III zu Rasch rückte sein Heer bis zum Mittelmeer vor und unterjochte riesige Landstriche Auch der Zwergstaat Israel geriet unter die Räder Als Provinz Samaria wurde er dem assyrischen Imperium einverleibt Nur das Armenhaus Juda blieb vorerst verschont
Der Gießener Archäologe Volkmar Fritz konnte zeigen, wie brutal die Eroberer vorgingen Der Forscher gräbt in Kinneret am See Genezaret Das 500-Einwohner-Dorf sei mit einem Hagel aus "eisernen Pfeilspitzen" belegt worden, erzählt er "Dann zertrümmerten die Soldaten die Häuser mit Brecheisen"
Zur Politik der Angreifer gehörten auch Deportationen 13 500 Israeliten mussten zwangsweise die Heimat verlassen Ein in Ninive entdecktes Relief zeigt, wie die Juden mit krummen Rücken und geschulterten Säcken in die Fremde marschieren Daneben sind Gepfählte zu sehen
Aber auch der kleinere Bruderstaat Juda blieb bedroht Eine Flut von Kriegsflüchtlingen ergoss sich nach Jerusalem Die Bevölkerung wuchs von 2000 auf vielleicht 15 000 Einwohner - und war den Launen des waffenstrotzenden Nachbarn schutzlos ausgesetzt
In dieser bedrohten Lage, glauben die gemäßigten Bibel-Kritiker um Finkelstein, vollzog sich ein Wunder: die Geburt des Glaubens an einen Gott "Monotheismus"
Aus tiefster Not und eingequetscht von den Supermächten Ägypten und Assyrien, so das Szenario, habe sich das kleine Juda zur Offensive entschlossen und Rettung gesucht Weil es kaum Militär hatte, wehrte es sich mit Metaphysik
Den Anschub für das Projekt Jahwe soll dabei König Josia 639 bis 609 v Chr gegeben haben Die Bibel feiert ihn als Mann, der gekommen war, um die Spuren fremder Verehrung auszumerzen und das Volk Israel durch das genaue Befolgen des Gesetzes zur Erlösung zu führen
Flugs, so die Annahme, rief der König seine Priester auf, einen religiösen Beschützer zu erfinden und das "nationale Epos" vom verheißenen Land zu schreiben
Zuerst galt es, das Selbstwertgefühl der Nation zu stärken und die drohende Überfremdung abzuwehren Also setzten die Tempelleute auf Abschottung Sie wollten eine "ethnische Abgrenzung" Finkelstein
Wer die Bibel genau liest, stößt auf eine Vielzahl an Lebensregeln und Tabus Der Verzehr von Schwein, Hase oder Kamel zum Beispiel war den Jahwe-Anhängern verboten Milchspeisen durften nie mit Fleisch in Berührung kommen
Am Passa aß die Gemeinde ungesäuertes Brot Am Samstag war das Feuermachen nicht erlaubt Männlichen Säuglingen trennte der Mohel, der Beschneider, am achten Tag die Vorhaut ab Zentrale Bedeutung hatte auch das Verbot der "Mischehe"
Neben diesen Vorschriften, mit denen sich die Religionsgemeinschaft in Juda schrittweise absonderte, soll Josia aber auch mehr Metaphysik eingefordert haben Bis dahin war Jahwe offenbar nur ein Donnergötze, verehrt als Stadtgott Jerusalems auf dem Berg Zion Nun wurde er zu einer universalen Macht
Fast alle Bibelkundler hegen den Verdacht, dass das 5 Buch Mose, das berühmte "Deuteronomium", das Ergebnis von Josias Kultreform widerspiegelt Dieses Buch ist geprägt durch eine ganz eigene Sprache, die sonst in keiner anderen Quelle anzutreffen ist:
· Kompromisslos verurteilt das Werk die Anbetung anderer Götter und droht bei Zuwiderhandlung furchtbare Strafgerichte an
· Gott wird als völlig entrückt und transzendent dargestellt
· Zugleich enthält das Buch ein absolutes Verbot: Der Opferdienst für Jahwe darf nur im Tempel von Jerusalem durchgeführt werden - und nirgendwo sonst
Mit diesen Dekreten strebten die Zion-Priester das Glaubensmonopol an Vor allem wollten sie ihre Kollegen im assyrisch unterjochten Bruderstaat Israel aushebeln Denn auch diese betrieben auf dem Berg Garizim, 50 Kilometer von Jerusalem entfernt, ein großes Jahwe-Heiligtum
lemming Dieser Streit zwischen Juda und Israel durchzieht unterschwellig das ganze Alte Testament Wo sie konnten, schwärzten die Leute aus Jerusalem die Nachbarn aus dem Norden an
Besonders auffällig ist diese einseitige Darstellung - die Experten sprechen von "polemischer Verzerrung" - in den "Königsbüchern" Die Bewohner Israels treten dort zumeist als kleinmütige Versager auf Ihre Könige sind nahezu allesamt Frevler und Sünder In Juda dagegen leben überwiegend fromme und gottesfürchtige Leute
Sogar vor Betrug und Dokumentenfälschung scheuten die Zion-Priester nicht zurück Um ihrem Alleinvertreter-Anspruch mehr Gewicht zu verleihen, ersannen sie einen raffinierten Plan
Im 2 Buch der Könige wird erzählt, dass der Hohepriester Hilkia 622 v Chr bei Aufräumarbeiten im Tempel von Jerusalem angeblich ein uraltes "Buch der Gesetze" gefunden habe In Wahrheit, so die Experten, war die Tinte dieser mysteriösen Tempelschwarte kaum getrocknet Hinter ihr verbarg sich das frisch geschriebene "Deuteronomium"
Aus der Sicht der gemäßigten Bibelkundler stellt sich die Sache also wie folgt dar: Um 630 v Chr schrieben die "Deuteronomisten" Kernstücke der Bibel Sie erfanden die Figuren Abraham und Mose und verlegten deren Wirken durch einen Trick in die Vergangenheit
Aber stimmt das? Hatte sich die Idee vom bildlosen Jahwe schon im 7 Jahrhundert durchgesetzt? Den "Minimalisten" geht selbst die Bibelkritik der gemäßigten Forscher um Finkelstein nicht weit genug Ihr Argwohn gegen die Bibel ist noch viel größer - und sie haben gute Gründe
Historiografie, Ethik, Staatskunde - ungeheure Leistungen sind in dem Werk enthalten Und all das soll lange vor Platon und Herodot entstanden sein?
Tatsächlich nahm die Antike von den Genies aus Juda kaum Notiz Herodot erwähnt zwar irgendwelche Leute aus Syropalästina, die sich beschneiden lassen Von ihren großen Taten weiß er nichts Erst im 4 und 3 Jahrhundert wurde das Echo stärker
Die geistigen Spitzenleistungen stehen zudem im auffälligen Kontrast zum technischen Standard, den das kleine Land damals aufwies
Ungeschickt wirkt ein Projekt, das um 720 v Chr der damalige König in Jerusalem anschob Er wollte über einen unterirdischen Kanal Wasser in die Stadt leiten Der Tunnel hat über 20 Blindstopfen, weil die Arbeiter immer wieder in die falsche Richtung hämmerten - dennoch feiert die Bibel genau dieses Werk als Glanzleistung der Wasserbaukunst
Die Fraktion der Minimalisten hält die Kultreform von Josia denn auch für eine Übertreibung Die Geschichte mit dem angeblich uralten, streng monotheistischen "Buch der Gesetze" sei eine Erfindung aus noch späterer Zeit
Die Spatenfunde, die jetzt zu Tage kommen, unterstützen diese Ansicht Die Abschaffung der Vielgötterei zog sich viel länger hin als bisher bekannt Noch um 600 v Chr lebte die Bevölkerung von Juda polytheistisch wie ihre Nachbarn "Es gab keine Unterschiede zwischen ihrer Religion und den umliegenden Kulturen", erklärt der Tübinger Alttestamentler Herbert Niehr
Wichtige Erkenntnisse, was damals wirklich im abgelegenen Bergland um Jerusalem ablief, hat die Forschung dem Schweizer Alttestamentler Othmar Keel zu verdanken In einer Fleißarbeit untersuchte er rund 8500 Stempelsiegel aus dem syropalästinischen Raum Sein Fazit: In Kanaan wimmelte es von Götzen
Kaum eine Bergkuppe, auf der nicht die Opferfeuer kokelten Vor den Häusern der Bauern standen kleine Altäre aus Kalkstein Hier verehrten die Farmer ihre Ahnen Um 650 v Chr, so Keel, erlebte das Land zudem einen "Boom der Astralkulte" Die Götter der Siegermacht aus Assyrien kamen in Mode

Und überall warf sich das Volk dem Blitze schleudernden Baal zu Füßen "Wie alle vom Regenfeldbau abhängigen Völker standen in der Levante die Wettergötter im Pantheon ganz oben", sagt Niehr, "der Wettergott Baal wurde in vielen lokalen Varianten verehrt Eine davon ist Jahwe"
Mit Blitz und Speer wurde der Hauptgott anfangs dargestellt Und er hatte eine Frau: die Liebesgöttin Aschera Die dänische Expertin Tilde Binger nennt die himmlische Dame "Gemahlin" des Herrn
Völlig nackt und mit einer merkwürdigen Krone - so wurde diese Ikone der Fruchtbarkeit von den Menschen angebetet Sogar im Tempel von Jerusalem muss damals ein Kultbaum der Aschera gestanden haben
Als Beweis dient ein sensationeller Fund Es ist ein kleiner Granatapfel aus Elfenbein mit der Aufschrift "heiliger Priesterbesitz aus dem Tempel Jahwes" Die Kugel, gedeutet als Aufsatz eines Zepters, stammt aus dem 7 vorchristlichen Jahrhundert Granatäpfel waren Symbole der Aschera-Göttin Sie zierten auch den Rocksaum des Hohepriesters
Von diesem Gewusel, wie es damals am Götterhimmel Kanaans herrschte, berichtet die Bibel kaum Geschickt spitzten ihre Autoren die Heilsgeschichte auf Jahwe und dessen Siegeslauf zu Missliebige Nachrichten filterte die Tempelzensur heraus
Und sie übertrieb Dramatisch erzählt die Bibel, wie - angeblich um 750 v Chr - der Prophet Hosea mit Feuereifer durchs Land eilte und unbarmherzig die Abgötterei verfolgte Elija tötet am Ufer des Kischon gleich 450 Baal-Priester auf einen Streich
All das sind - später geschönte - Deutungen der Geschichte Zwar gehen viele Forscher davon aus, dass sich damals in Kanaan tatsächlich eine "Jahwe-Allein-Bewegung" formierte Doch deren Anhänger waren noch "randständige Außenseiter" Kinet, die erst langsam an Einfluss gewannen
Die Elite von Jerusalem jedenfalls hatte mit den Visionären anfangs wenig am Hut Um 590 v Chr ließ sich ein reicher Bürger der Stadt begraben Der Tote trug zwar auf der Brust eine Silberplatte mit einer alttestamentarischen Segensformel
Doch in der düsteren Gruft fand sich auch ein Amulett der ägyptischen Katzengöttin Bastet Der Prophet Ezechiel nennt solche Anhänger "Mistzeug"
Und selbst Jahwe war um 600 v Chr wohl noch nicht so fern, entrückt und bildlos, wie er im 5 Buch Mose auftritt Der Religionsforscher Niehr ist sicher: "Im Tempel von Jerusalem stand damals noch ein Kultbild des Gottes"
Ganz mit Gold überzogen, stumm im Allerheiligsten stehend und bewacht von den Kerubim - so mag man sich die Figur vorstellen Angebetet wurde sie wohl als "Herr der Ehre", wie es in der Bibel heißt
Erst im Jahr 587 v Chr vollzog sich jenes Ereignis, das dem Monotheismus dann wahrscheinlich zum Durchbruch verhalf Nun wurden die Sprungfedern zur Transzendenz wirklich gespannt
In jenem Jahr ereignete sich eine Zäsur, die als großer Wendepunkt in die Geschichte des Volkes Israels einging Über das Land brach eine "nationale Katastrophe" herein

Es war ein Sommertag, als sich von Nordosten aus eine gigantische Armee der Festung Jerusalem näherte Schon aus der Ferne war das Klirren der Speere und das Rumpeln der Kampfwagen zu hören Der Babylonier Nebukadnezar war auf dem Durchzug nach Ägypten
18 Monate lang belagerte der Feldherr die Stadt Die Pfeile seiner Bogenschützen verdunkelten den Himmel, Holzrammen dröhnten gegen die Stadttore Erst nach zähem Kampf gaben die Bürger vom Zionberg auf
Wie damals üblich, ging es den Unterlegenen brutal an den Kragen Jerusalems König Zedekia wurden die Augen ausgestochen Nun hatte auch Juda, der kleine Bruderstaat, seine Unabhängigkeit verloren
Selbst vorm Allerheiligsten machte der lästerliche Feind nicht Halt: Der Tempel Jerusalems ging in Flammen auf
Einen Teil der Oberschicht, angeblich 15 000 Menschen, ließen die Sieger ins Zweistromland verschleppen In Babylon bildete sich bald eine jüdische Kolonie

Frühestens hier, in der Diaspora, am Fuß des Riesenturms Etemenanki, auf dessen 91,5 Meter hoher Spitze eine Sternwarte stand, so sehen es immer mehr Forscher, hätten die Hebräer das Sehnsuchtsmotiv vom "verheißenen Land" entwickelt - gerade weil sie keines mehr besaßen
Aber auch ihre Gottesvorstellung selbst erhielt in der Fremde neue Impulse - und zwar aus Persien
Denn der grause Nebukadnezar und sein Superturm der später durch Wind und Wetter zerfiel blieben nur eine Episode 539 v Chr eroberten die Perser weite Teile der antiken Welt Ihr Glaubenslehrer Zarathustra verkündete eine Lehre, die ebenfalls Engel kennt und auf dem Gegensatz von Gut und Böse basiert
Und auch Ahuramazda, der Hauptgott der Perser, war ein Wesen ohne Gestalt Altäre baue dieses Volk nicht, schreibt der Historiker Herodot: "Wer das tue, sei töricht, sagen sie Offensichtlich stellen sie sich die Götter nicht wie die Griechen als menschenähnliche Wesen vor"
Tatsache ist, dass die fernen Morgenländer den aufblühenden Jahwe-Kult nach Kräften unterstützten 538 v Chr erlaubten sie den Juden die Rückkehr in ihre Heimat
Rund 30 000 Menschen kehrten damals ins karstige Juda zurück - darunter viele Priester Stracks bauten sie den verkohlten Tempel auf dem Berg Zion wieder auf
Neuer Bürgermeister von Jerusalem wurde 445 v Chr Nehemia, vormals Mundschenk beim Perserkönig Artaxerxes Ihm zur Seite stand Esra, der das Amt des Hohepriesters übernahm In der Bibel nennt er sich "Beauftragter für das Gesetz des Gottes des Himmels"
Nun erst, als Verwalter der persischen Provinz Jehud Radius: 30 Kilometer, so die Annahme der Minimalisten, seien die radikalen jüdischen Reformer zur Hochform aufgelaufen Vergleichbar den klösterlichen Fälscherbanden des Mittelalters, die Urkunden umdatierten, hätten sie das hebräische Schrifttum durchgeflöht, umgeschrieben und dabei ganze Königreiche erfunden
Vor allem aber bekämpften die Rückkehrer den Kult um die Fruchtbarkeitsgöttin Aschera Alttestamentler Keel spricht von einer "religiösen Kontrolle" Die nackten Ton-Idole der Himmelsdame seien verboten und zerschlagen worden
In der Bibel ist von den damals tobenden Glaubenskämpfen fast nichts zu lesen Nur ganz selten übersah die Tempelzensur verräterische Stellen: In Psalm 68 wird Gott "Wolkenfahrer" genannt Diesen Namen trug auch der heidnische Wettergötze Baal
Erst die Archäologie gibt jetzt eine Ahnung von den wahren Vorgängen jener Epoche Besonders spannend ist eine aktuelle Grabung im ägyptischen Assuan Dort lebte auf einer Nilinsel eine Gruppe jüdischer Söldner, die engen brieflichen Kontakt mit Jerusalem hielten Aus der Zeit von 460 bis 407 v Chr liegt Tempelpost vor Die Schriften zeigen, dass die Auslandsjuden selbst zu dieser Zeit noch neben ihrem Hauptgott Jahu mindestens drei weitere Götter verehrten, darunter die Liebesgöttin Anat
Die radikalen Religionsforscher wundern solche Befunde nicht Für sie ist die Bibel eine Glaubensschrift, die nur lockeren Umgang mit der Wahrheit pflegt
Aber auch unter den konservativen Gelehrten machen sich Zweifel breit Der Theologe Niehr hat in seiner Zunft eine allgemeine "Tendenz zur Spätdatierung" der Bibeltexte ausgemacht Er selbst schlägt vor, Mose und Co "durch die Brille der persischen und hellenistischen Zeit" zu lesen
Besonders merkwürdig ist in dem Zusammenhang ein rätselhaftes und selbst
unter Fachleuten kaum bekanntes Heiligtum Es liegt an der Straße 443, die nördlich von Jerusalem Richtung Ramot führt Offiziell heißt die Stätte "Nebi Samuel" - der Prophet Samuel
Hinter verrosteten Metallzäunen verbirgt sich ein fast 1000 Quadratmeter großer Kultplatz In harter Knochenarbeit wurde fast die gesamte Bergkuppe abgefräst und wie eine Rollschuhbahn geglättet Am Rand stehen Reste von Weinpressen sowie Stallungen fürs Opfervieh
Im vorläufigen und nur in hebräischer Sprache vorliegenden Grabungsbericht heißt es, dass die Stämme Israels hier den Himmel um Regen anriefen und andere "bedeutende religiöse Rituale" vollzogen
Noch im "2 Jahrhundert vor Christus" sei der Platz in Gebrauch gewesen
Was für eine Entdeckung! Keine zehn Kilometer von Jerusalem entfernt, auf einem Berg und fast auf Sichtweite zum großen Jahwe-Heiligtum, wurden demnach selbst in hellenistischer Zeit noch heidnische Regentänze aufgeführt
Angesichts solch bizarrer Befunde hat der Alttestamentler Diebner seine Kollegen zur "metakritischen Quellenschau" aufgerufen Sein Motto: Seid misstrauisch beim Bibellesen
Noch die Makkabäer, glaubt der Forscher, hätten Kerntexte der Bibel umgeschrieben Der Name steht für eine Gruppe von Hohepriestern und Königen, die um 140 v Chr von Jerusalem aus die Unabhängigkeit erkämpften Für kurze Zeit blühte damals im Gelobten Land ein Gottesstaat, geführt von den Anhängern Jahwes
Kurz danach gingen die Eiferer sogar militärisch in die Offensive Es gelang ihnen, den verhassten Norden zu überrennen Der Sakralbau auf dem Garizim, "Rivale des Jerusalemer Tempels" Dubnow, wurde zerstört
Erst in diesem geschichtlichen Augenblick, meint Diebner, sei der Traum vom panisraelitischen Großreich entstanden, der sich wie ein Leitmotiv durch die Heilige Schrift zieht Der einst so viel größere Nachbarstaat wurde geschluckt und dessen alter Name "Israel" zum neuen Schlachtruf der ganzen Nation
Diebner drückt es so aus: "Es vollzog sich die Destruktion der Kultur Samariens, das heißt die imperialistische Integration der Kultur der samaritanischen Kulturgemeinde in ein judäisch beherrschtes und kontrolliertes Kultur-System"
Nun erst, glauben die Minimalisten, entstand die - fiktive - Vorgeschichte vom Erzvater Abraham Dessen mit realen Ortsnamen gespickte Wanderung durch Kanaan umfasst etwa jenes Gebiet, auf das die Makkabäer Anspruch erhoben
Und auch die berüchtigte Story von der Landnahme Kanaans, in der Gott dem auserwählten Volk befiehlt, die ansässige Urbevölkerung "auszutilgen", passt viel besser in die Zeit der Makkabäer, die in schwere Geländekämpfe verstrickt waren
Ist das Buch Josua also eine "Programmschrift aus dem 2 vorchristlichen Jahrhundert", wie der dänische Forscher John Strange spekuliert? Auch der Bibelkenner Krauss vermutet: "Es sieht so aus, als wollte der Verfasser des Buches Josua den Hohepriestern die richtige Politik gegenüber den heidnischen Nachbarn in dichterischem Gewand empfehlen"
Kein Zweifel: An den theologischen Fakultäten werden derzeit unbequeme Gedanken ausgebrütet Die jüdische Orthodoxie verschließt eher die Ohren Ihr gilt schon der gemäßigte Forscher Finkelstein als Nestbeschmutzer
Nüchterne Analysen sind in Israel zur- zeit nicht gefragt, es blüht der sentimentale Fanatismus Jeden Freitagabend treten religiöse Juden unter Polizeischutz an der Klagemauer zum Gebet an Wenige Meter über ihnen, auf dem Burgberg, in der Aksa-Moschee, knien Muslime
An dieser Situation wird sich so schnell nichts ändern Hass steht gegen Hass, Religion gegen Religion, Besitzanspruch gegen Besitzanspruch
Die Tora ist zwar ein "herausragendes Ergebnis menschlicher Einbildungskraft" Finkelstein Sie zeugt vom Triumph des Homo sapiens, der sich von den Fesseln des Naturmythos befreite und in die Sphäre des ethischen Gesetzes vorstieß
Zugleich aber tischt die Bibel auch fromme Lügen auf



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